38. O unaussprechlicher verlust

1 O unaussprechlicher Verlust,
Den wir erlitten haben!
Wie kränket die betrübte Brust
Der mangel jener gaben,
Die unsers Schöpfers milde hand
Den ersten ältern zugewandt,
Und uns ihr fall entzogen!

2 Der mensch war heilig, gut und rein
Von dir, o Gott, geschaffen:
Er wußte nichts von schuld und pein,
Vin zünd und sündenstrasen:
Mit licht erfüllt war sein verstand,
Der auch den willen folgsam fand;
Vollfriede sein gewissen.

3 Du fordertest, zur dankbar: keit,
Daß du ihn so erhoben,
Nebst dem, was die Natur gebeut,
Nur leichte liebesproben.
Die Frucht von einem einz'gen baum
Sollt', in des grossen garten raum,
Unangetastet bleiben.

4 Doch ach! das haup von seiner schaar
Der abgefallenen Geister:
Nahm der gewünschten stunde wahr;
Von dir, den Herrn und Meister,
Den menschen ab, zu sich zu ziehn;
Und ließ nicht nach, sich zu bemühn,
Bis er dein vild zerstöret.

5 Er machte sich, durch Neid erregt,
An deine lieben kinder;
Und ward, eh sie es überlegt,
Mit list ihr überwinder.
Er bracht in die vergnügte brust
Den saamen der verbotnen lust,
Indem er sich verstellte.

6 Genießt nur, sprach er, diese Frucht:
Ihr werdet niemals sterben.
Ihr seid nun lang genug versucht;
Und eßt nicht zum verderben.
Gott weiß vielmehr, wo ihr es thut,
So werdet ihr, was bös' und gut,
Ihm vollends ähnlich, wissen.

7 Hier ließ ihr herz, durch schein bethört,
Sich vom Verführer neigen.
Sie wollten, als schon genug bewährt,
Auf höh're stufen steigen;
Und dir, dem höchsten Wesen, gleich,
An einsicht, die nicht irrte, reich,
Den stand der prüfung enden.

8 Sie glaubten dein betrüger eh'r
Als sie es überdachten:
Ob er von dir gesendet wär,
Und wie sein wort zu achten?
So blindlings ward die that gewagt:
Sie assen, was du untersagt,
Und dachten nicht zurück.

9 Ach aber! nun ward ihr verstand
Mit Finsternis umgeben.
Der wille, der sich abgewandt,
Verlor das wahre leben.
Zorn, sünde, jammer, fluch und Tod;
Ja mehr als tausendfache noth,
Unringte die rebellen.

10 dies elend wird nun fortgeerbt
Auf ihre spätesten kinder.
So stamm als zweige sind verderbt.
Der fluch trift alle sünder.
Die erste Schönheit ist dahin:
Der Schlange gift hat leib und sinn
Durchdrungen und verwüstet.

11 O Herr, laß uns, in deinem licht,
Des Falles gröss' erkenen!
Verwirf uns die gefallen nicht,
Die wir dich Schöpfer nennen!
Hilf uns durch Christum wieder auf,
Und mach uns tüchtig, unsern lauf
Zur Ewigkeit zu richten!

Text Information
First Line: O unaussprechlicher verlust
Author: J. J. Rambach
Language: German
Publication Date: 1817
Topic: Vom Sündenfall
Notes: Mel. Es ist gewißlich an der u.
Tune Information
(No tune information)



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