575. Abermal ein Jahr verflossen

1 Abermal ein Jahr verflossen
näher zue der Ewigkeit;
wie ein Pfeil wird abgeschossen,
so vergehet meine Zeit.
O getreuer Zebaoth,
unveränderischer Gott,
ach, was soll, was soll ich bringen,
deiner Langmuth Dank zu singen?

2 Ich erschrecke mächtig Wesen,
Angst und Furcht bedecket mich;
dann mein Beten, Singen, Lesen,
ach das ist so schläferig.
Heilig, heilig, heiliger,
großer Seraphinen Herr,
wehe mir, ich muß vergehen,
denn wer kann vor dir bestehen?

3 Schrecklich ist es ja zu fallen
in die Hand von solchem Gott,
der rechtfertig zuruft allen:
Niemand treibe mit mir Spott;
irret nicht, wo das geschicht,
ich Jehovah leid es nicht;
ich bin ein verzehrend Feuer,
ewig brennend, ungeheuer!

4 Aber du bist auch sanftmüthig,
o getruees Vaterherz,
in dem Bürgen bist du Gütig,
der gefühlt des Todes Schmerz.
steh ich nicht in deiner Hand
angezeichnet als ein Pfand,
so du ewig willst bewahren
vor des alles Drachen Schaaren?

5 Auf, mein Herz, gieb dich nun wieder
ganz dem Friedenfürsten dar;
opfre dem der Seelen Lieder,
welcher krönet Tag und Jahr;
fang ein neues Leben an,
das dich endlich führen kann
mit Verlangen nach dem Sterben,
da du wirst die Kron erwerben.

6 Soll ich dann in dieser Hütten
mich ein Zeit lang plagen noch,
so wirst du mich überschütten
mit Geduld, das weiß ich doch.
Setze dann dein Herz auf mich;
Jesu Christe, du und ich
wollen ewig treu verbleiben,
und von neuem uns verschreiben.

7 An dem Abend und dem Morgen,
o mein Rath, besuche mich;
laß der Heiden Nahrungssorgen
nimmer scheiden mich und dich.
Prüf in jedem Augenblick
meine Nieren und mich schick,
schick mich, daß ich wachend stehe,
ehe denn ich schnell vergehe.

Text Information
First Line: Abermal ein Jahr verflossen
Author: Joachim Neander
Language: German
Publication Date: 1872
Topic: Neujahrslieder; New Years Songs
Notes: Mel. Freu dich sehr, o meine.
Tune Information
(No tune information)



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