351. Sollt' ich meinem Gott nicht singen

1. Sollt' ich meinem Gott nicht singen?
Sollt' ich ihm nicht dankbar sein?
Denn ich seh' in allen dingen,
Wie so gut er's mit mir mein';
Ist doch nichts als lauter lieben,
Das sein treues herze regt,
Das ohn' ende hebt und trägt,
Die in seinem dienst sich üben.
Alles ding währt seine zeit:
Gott lieb' in ewigkeit.

2. Wie ein adler sein gefieder
Ueber seine jungen streckt;
Also hat auch hin und wieder
Mich des Höchsten arm gedeckt.
Also bald im mutterleibe,
Da er mir mein wesen gab,
Und das leben, das ich hab',
Und noch diese stunde treibe.
Alles ding währt seine zeit:
Gott lieb' in ewigkeit.

3. Sein Sohn ist ihm nicht zu theuer;
Nein! er gibt ihn für mich hin,
Daß er mich vom ew'gen feuer
Durch sein theures blut gewinn'.
O du unergründ'ter brunnen!
Wie will doch mein schwacher geist,
Ob er sich gleich hoch befleißt,
Deine tief' ergründen können?
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

4. Seinen Geist, den edlen führer,
Gibt er mir in seinem wort:
Daß er werde mein regierer
Durch die welt zur himmelspfort',
Daß er mir mein herz erfülle
Mit dem hellen glaubenslicht,
Das des todes macht zerbricht,
Und die hölle selbst macht stille.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

5. Meiner seelen wohlergehen
Hat er ja recht wohl bedacht:
Will dem leibe noth zustehen,
Nimmt er's gleichfalls wohl in acht:
Wenn mein können, mein vermögen
Nichts vermag, nichts helfen kann,
Kömmt mein Gott und hebt mir an
Sein vermögen beizulegen.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

6. Himmel, erd' und ihre heere
Hat er mir zum dienst bestellt:
Wo ich nur mein aug' hinkehre,
Find' ich, was mich nährt und hält.
Thier' und kräuter und getreide
In den gründen, in der höh',
In den büschen, in der see,
Ueberall ist meine weide.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

7. Wenn ich schlafe, wacht sein sorgen,
Und ermuntert mein gemüth,
Daß ich alle liebe morgen
Schaue neue lieb' und güt'.
Wäre mein Gott nicht gewesen,
Hätte mich sein angesicht
Nicht geleitet, wär' ich nicht
Aus so mancher angst genesen.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

8. Wie so manche schwere plage
Wird vom satan hergeführt,
Die mich doch mein lebetage
Niemals noch bisher gerührt.
Gottes engel, den er sendet,
Hat das böse, was der feind
Anzurichten war gemeint,
In die ferne weggewendet,
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

9. Wie ein vater seinem kinde
Sen herz niemals ganz entzeucht,
Ob es gleich bisweilen sünde
Thut und aus der bahne weicht;
Also hält auch mein verbrechen
Mir mein frommer Gott zu gut.
Will mein fehlen mit der ruth'
Und nicht mit dem schwerte rächen.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

10. Seine strafen, seine schläge,
Ob sie mir gleich bitter seind:
Dennoch, wenn ich's recht erwäge,
Sind es zeichen, daß mein freund,
Der mich liebet, mein gedenke,
Und mich von der schnöden welt,
Die uns hart gefangen hält,
Durch das kreuze zu ihm lenke.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb' in ewigkeit.

11. Das weiß ich fürwahr und lasse
Mir's nicht aus dem sinne gehn,
Christenkreuz hat seine maße
Und muß endlich stille stehn:
Wenn der winter ausgeschneiet,
Tritt der schöne sommer ein:
Also wir auch nach der pein,
Wer's erwarten kann, erfreuet.
Alles ding währt seine zeit:
Gott lieb' in ewigkeit.

12. Weil dann weder ziel noch ende
Sich in Gottes liebe find't,
Ei! so heb' ich meine hände
Zu dir, Vater! als dein kind:
Bitte, woll'st mir gnade geben,
Dich aus aller meiner macht
Zu umfangen tag und nacht
Hier in meinem ganzen leben,
Bis ich dich nach dieser zeit
Lob' und lieb' in ewigkeit.

Text Information
First Line: Sollt' ich meinem Gott nicht singen
Author: Paul Gerhard (1676)
Language: German
Publication Date: 1862
Topic: Lob-und Dank-Lieder
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(No tune information)



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