432. Die zeit ist nunmehr nah'

1. Die zeit ist nunmehr nah',
Herr Jesu! du bist da:
Die wunder, die den leuten
Dein' ankunft sollen deuten,
Die sind, wie wir gesehen,
In großer zahl geschehen.

2. Was soll ich den nun thun?
Ich soll auf dem beruhn,
Was du mir hast verheißen,
Daß du mich wollest reißen
Aus meines grabes kammer,
Von allem andern jammer.

3. Ach, Jesu! wie so schön
Wird mir's alsdann ergehn!
Du wirst mit tausend blicken
Mich durch und durch erquicken,
Wenn ich hie von der erde
Mich zu dir schwingen werde.

4. Ach! was wird doch dein wort,
Du süßer seelenhort!
Was wird doch sein dein sprechen,
Wenn dein herz wird ausbrechen
Zu mir und meinen brüdern,
Als deinen leibesgliedern.

5. Werd' ich denn auch vor freud',
In solcher gnadenzeit
Den augen ihre zähren
Und thränen können wehren,
Daß sie mir nicht mit haufen
Auf meine wangen laufen?

6. Was für ein schönes licht
Wird mir dein angesicht,
Das ich in jenem leben
Werd' erstmal sehen, geben!
Wie wird mir deine güte
Entzünden mein gemüthe.

7. Dein' augen, deinen mund,
Dein leib für mich verwund't,
Da wir so fest auf trauen,
Das werd' ich alles schauen,
Auch innig herzlich küssen
Die maal' an händ' und füßen.

8. Dir ist allein bewußt
Die ungefälschte lust
Und edle seelenspeise
In deinem paradeise,
Die kannst du wohl beschreiben,
Ich kann nicht mehr als gläuben.

9. Doch, was ich hier gegläubt,
Das steht gewiß und bleibt,
Mein heil! dem gar nicht gleichen
Die güter aller reichen;
All' anders gut vergehet,
Mein erbtheil das bestehet.

10. Ach, Herr! mein schönstes gut,
Wie wird sich all' mein blut
In allen adern freuen,
Und auf das neu' verneuen,
Wann du mir wirst mit lachen
Die himmelsthür aufmachen.

11. Komm her, komm und empfind',
O auserwähltes kind!
Komm, schmecke was für gaben
Ich und mein Vater haben;
Komm, wirst du sagen: weide
Dein herz in ew'ger freude.

12. Ach! du so arme welt!
Was ist dein gold und geld
Hie gegen diese kronen
Und mehr als goldne thronen?
Die Christus hingestellet
Dem volk, das ihm gefället.

13. Hier ist der engel land,
Der sel'gen seelenstand:
Hier hör' ich nichts, als singen,
Hier seh' ich nichts als springen,
Hier ist kein kreuz, kein leiden,
Kein tod, kein bittres scheiden.

14. Halt ein! mein schwacher sinn,
Halt ein, wo denkst du hin?
Willt du, was grundlos, gründen?
Was unbegreiflich, finden?
Hier muß der witz sich neigen,
Und alle redner schweigen.

15. Doch aber, meine zier!
Dich laß ich nicht von mir,
Dein will ich stets gedenken,
Herr! der du mir wirst schenken
Mehr, als mit meiner seelen
Ich wünschen kann und zählen.

16. Ach! wie ist mir so weh'
Eh' ich dich aus der höh',
Herr! sehe zu uns kommen:
Ach! daß zum heil und frommen
Du meinen wunsch und willen
Noch möchtest heut' erfüllen.

17. Doch, du weißt deine zeit,
Mir ziemt nur stets bereit
Und fertig da zu stehen,
Und so zum Herrn zu gehen,
Daß alle stund' und tage
Mein herz sich zu dir trage.

18. Dies gib, Herr! und verleih',
Auf daß dein' huld und treu'
Ohn' unter aß mich wecke,
Daß mich dein tag nicht schrecke,
Da unser schreck auf erden
Soll fried' und freude werden.

Text Information
First Line: Die zeit ist nunmehr nah'
Author: Paul Gerhard (1676)
Language: German
Publication Date: 1862
Topic: Ewigkeits-Lieder und Lieder von der Auserstehung und dem jüngsten Gericht
Notes: Mel. Auf meinen lieben Gott u. 24.
Tune Information
(No tune information)



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