434. O ewigkeit, du donnerwort!

1. O ewigkeit, du donnerwort!
O schwert, das durch die seele bohrt!
O anfang sonder ende!
O ewigkeit, zeit ohne zeit!
Ich weiß vor großer traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende:
Mein ganz erschrocknes herz erbebt,
Daß wir die zung' am gaumen klebt.

2. Kein unglück ist in aller welt,
Das endlich mit der ziet nicht fällt,
Und ganz wird aufgehoben:
Die ewigkeit hat nur kein ziel,
Sie treibet fort und fort ihr spiel,
Läßt nimmer ab zu toben,
Ja! wie mein heiland selber spricht:
Aus ihr ist kein' erlösung nicht.

3. O ewigkeit! du machst mir bang!
O ewig, ewig ist zu lang!
Hie gilt fürwahr kein scherzen:
Drum wenn ich diese lange nacht,
Zusammt der großen pein betracht',
Erschreck' ich recht von herzen.
Nichts ist zu finden weit und breit
So schrecklich, als die ewigkeit.

4. Was acht' ich wasser, feu'r und schwert!
Dies alles ist kaum nennenswerth,
Es kann nicht lange dauren,
Was wär' es, wenn gleich ein tyrann,
Der fünfzig jahr kaum leben kann,
Mich endlich ließ vermauren?
Gefängniß, marter, angst und pein,
Die können ja nicht ewig sein.

5. Wenn der verdammten große qual
So manches jahr, als an der zahl
Hie menschen sich ernähren,
Als manchen stern der himmel hegt,
Als manches laub die erde trägt,
Noch endlich sollte währen;
So wäre doch der pein zuletzt
Ihr recht bestimmtes ziel gesetzt.

6. Nun aber, wenn du die gefahr
Viel hunderttausend tausend jahr
Hast kläglich ausgestanden,
Und von den teufeln solcher frist
Ganz grausamlich gemartert bist,
Ist doch kein schluß vorhanden:
Die zeit, so niemand zählen kann,
Die fänget stets von neuem an.

7. Liegt einer krank und ruhet gleich
Im bette, das von golde reich
Recht fürstlich ist gezieret,
So hasset er doch solchen pracht,
Auch so, daß er die ganze nacht
Ein kläglich leben führet:
Er zählet jeden glockenschlag
Und seufzet nach dem lieben tag.

8. Ach, was ist das! der höllen pein
Wird nicht, wie leibeskrankheit, sein
Und mit der zeit sich enden.
Es wird sich der verdammten schaar
Im feu'r und schwefel immerdar
Mit zorn und gimme wenden,
Und dies ihr unbegreiflich's leid
Soll währen bis in ewigkeit.

9. Ach, Gott! wie bist du so gerecht,
Wie strafest du die bösen knecht'
So hart im pfuhl der schmerzen!
Auf kurze sünden dieser welt
Hast du so lange pein bestellt:
Ach! nimm es wohl zu herzen,
Betracht es oft, o menschenkind!
Kurz ist die zeit, der tod geschwind.

10. Ach! fliehe doch des teufels strick,
Die wollust kann ein'n augenblick,
Und länger nicht ergötzen;
Dafür willt du dein' arme seel',
Hernachmals in des teufels höhl',
O mensch! zum pfande setzen?
Ja schöner tausch, ja wohl gewagt,
Das bei den teufeln wird beklagt.

11. So lang' ein Gott im himmel lebt,
Und über alle wolken schwebt,
Wird solche marter währen;
Es wird sie plagen kält' und hitz',
Angst, hunger, schrecken, feu'r und blitz,
Und sie doch nicht verzehren.
Dann wird sich enden diese pein,
Wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.

12. Die marter bleibet immerdar,
Als anfangs sie geschaffen war,
Sie kann sich nicht vermindern:
es ist ein' arbeit sonder ruh'
Sie nimmt an klag' und seufzerz zu
Bei jenen satanskindern.
O sünder! deine missethat
Empfindet weder trost noch rath!

13. Wach' auf, o mensch! von sündenschlaf,
Ermuntre dich, verlornes schaf!
Und bessre bald dein leben;
Wach' auf, es ist sehr hohe zeit,
Es kommt heran die ewigkeit,
Dir deinen lohn zu geben:
Vielleicht ist heut der letzte tag,
Wer weiß, wie man noch sterben mag?

14. Ach! laß die wollust dieser welt,
pracht, hoffart, reichthum, ehr' und geld
Dir länger nicht gebieten!
Schau an die große sicherheit,
Die falsche welt und böse zeit,
Zusammt des teufels wüthen.
Vor allen dingen hab' in acht
Die vorerwähnte lange nacht.

15. O du verfluchtes menschenkind,
Von sinnen toll, von herzen blind,
laß ab die welt zu lieben!
Ach! ach! soll denn der höllen pein,
Da mehr denn tausend henker sein,
Ohn' ende dich betrüben?
Wo ist ein so beredter mann,
Der dieses werk aussprechen kann?

16. O ewigkeit! du donnerwort!
O schwert, das durch die seele bohrt!
O anfang sonder ende!
O ewigkeit! zeit ohne zeit!
Ich weiß vor großer traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Herr Jesu! wenn es dir gefällt,
Nimm mich zu dir in's himmelszelt.

17. O unerhörte höllenqual!
O marter ohne maaß und zahl!
O ungemeines leiden!
Mein Jesu, ach! behüt' mein herz
Vor diesem ewig harten schmerz,
Schenk' mir des himmels freuden.
Weil du für mich dein blut versetzt,
So lasse mich doch nicht zuletzt.

Text Information
First Line: O ewigkeit, du donnerwort!
Author: Johann Rist (1667)
Language: German
Publication Date: 1862
Topic: Ewigkeits-Lieder und Lieder von der Auserstehung und dem jüngsten Gericht
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